“Warum studierst du nicht?”

Wenn man mit der Schule fertig ist – für manche nach der Mittleren Schulreife (10. Klasse), für manche nach dem Abitur (12./13. Klasse) – steht man auf einmal vor einer ziemlich großen und wichtigen Entscheidung: Was will man jetzt machen? Und im Endeffekt läuft es dann auf die Frage hinaus: Ausbildung oder Studium?

Gerade wenn man das Abitur hat, scheint es selbstverständlich zu sein, dass man danach studiert. Wozu hat man denn sonst Abi gemacht? Das will man dann ja auch nicht „verschwenden“! Ganz generell scheint sich in der Gesellschaft der Gedanke zu halten, dass ein Studium besser wäre als eine Ausbildung. Den Ausdruck „nur eine Ausbildung“ hat bestimmt jede*r irgendwie irgendwann schon mal gehört. Ich selbst habe das nie bewusst so gesehen. Ich studiere, aber nicht, weil ich glaube, dass ein Studium objektiv besser ist, sondern weil mir das Akademische, die Theorie besser liegt. Aber ich weiß auch, dass manche Menschen da anders gepolt sind, dass eben genau diese Theorie, das Lernen und alles was noch zum Studium dazu gehört nichts für sie ist.

Damit dieser Text jedoch nicht nur meine Perspektive als Studentin enthält, habe ich ein paar Bekannte gebeten, ein paar Fragen zu diesem Thema zu beantworten. Alle machen oder haben eine Ausbildung gemacht, manche haben sogar vorher studiert (und dann abgebrochen). Im Nachfolgenden findet ihr ihre Antworten. Ich weiß natürlich, dass das ein riesiges Thema ist und noch ausführlicher diskutiert werden kann. Für diesen Text allerdings wollte ich es so kurz wie möglich halten (er ist jetzt schon länger als ursprünglich geplant), aber trotzdem eine andere Sichtweise auf die Frage Ausbildung vs. Studium zeigen – und zwar eine die nicht akademisch-zentrisch ist!

Die Antworten sind teilweise recht ausführlich, aber da ich die Meinungen sehr wichtig finde, habe ich beschlossen, sie nicht zu kürzen!

(Anmerkung: Die Antworten sind wortwörtlich übernommen, einzig Rechtschreib- und Grammatikfehler sind angepasst worden)

Fragen:

1. Warum hast du dich für eine Ausbildung entschieden?

2. War/Ist ein Studium eine Option für dich? Wenn nein, warum nicht?

3. Wird dir vermittelt, du hättest „versagt“, weil du „nur“ eine Ausbildung machst?

4. Was findest du an einer Ausbildung besser im Vergleich zu einem Studium?

5. Gibt es noch etwas, was zu dem Thema sagen möchtest?


Person A:

1. Weil ich nicht genau wusste, was ich nach der Schule machen will und keine Lücke im Lebenslauf haben wollte.

2. Direkt nach der Schule nicht, weil ich kein Studium anfangen wollte, dass ich nicht beende.

3. Nein, in meinem Umfeld wurde es eher sogar positiv aufgefasst, weil man schon etwas geschafft hat.

4. In einer Ausbildung bekommt man deutlich mehr Lebenserfahrung und wird gut darauf vorbereitet, selbständig zu sein, das, finde ich, hängt im Studium ein bisschen hinterher.

5. Ich denke, dass sich niemand “schämen” sollte, wenn er eine Ausbildung macht, da diese genauso gut weiterbilden können wie ein Studium.


Person B:

1. Man hat ja nicht wirklich eine Wahl, geht man nicht Studieren macht man halt eine Ausbildung. Meiner Meinung nach eine Grundvoraussetzung, um etwas fürs Leben zu lernen.

2. Ein Studium ist für mich eigentlich keine Option mehr, außer es würde sich beruflich anbieten, ein duales Studium quasi bei dem man trotzdem Geld verdient, ohne geht‘s halt durch die Verantwortung, die man mittlerweile hat, nicht mehr.

3. In der Schule auf jeden Fall, auch von Lehrern, Mitschülern. Während der Ausbildung nicht wirklich, der Umgang an sich war aber recht rau und man wurde öfter für dumm verkauft von den Ausbildern.

4. An einer Ausbildung find ich besser, dass sie mehr praxisorientierte Sachen behandelt und man eben diese Abwechslung zwischen Arbeit und Lernen in der Schule hat. Dadurch kann man mit etwas Glück frisch Gelerntes aus der Schule auch praktisch einsetzen und das Wissen auch besser festigen.

5. Insgesamt finde ich ein Studium zum Teil sehr überflüssig, mein Chef ist mein Chef, weil er den Fachbereich studiert hat, aber nie praktisch angewendet hat und das merkt man in manchen Situationen sehr deutlich. Ein Studium wäre besser, wenn es mehr praktische Tätigkeiten gäbe.


Person C:

1. Habe von der Schule aus ein Praktikum gemacht und [das] fand ich so toll, dass ich mich da beworben habe.

2. Lernen war nie meine Stärke.

3. Nein, so fühle ich mich nicht. Ich verdiene mein Geld, habe ein Auto und eine Wohnung, was viele andere in unserem Alter nicht haben.

4. Ich liebe die Praxis, das Unterwegs-Sein und das End-Resultat.

5. Nein


Person D:

1. Damit ich irgendwas in der Tasche habe und Geld verdienen kann, um später eine Familie zu ernähren.

2. Momentan definitiv nicht, vielleicht in 5-10 Jahren, wenn der Kopf dafür Platz hat.

3. Nicht in der Familie oder durch Freunde (Frage 5), aber wenn man sich so umgehört hat, kam das des Öfteren vor.

4. Der praktische Anteil, dass man sofort etwas bewirken kann, wenn man es so ausdrücken möchte, und nicht erst sich den Stoff reinprügeln muss, ohne einen Bezug haben zu können.

5. Vor meiner Ausbildung habe ich studiert. Ich bin mit dem ewigen Lernen nicht klargekommen. Man konnte praktisch bis zur Klausur nichts tun und BOOM Stress und Versagensängste, denn versaust du die, ist das Studium beendet und du bist ein Versager. Hat meiner Depression nicht gerade geholfen. Nach dem 2. Semester des 2. Studiengangs ging es dann in die Psychiatrie und ich habe abgebrochen. Dadurch und dass ich davor schon das “schwarze Schaf” war, hat meine Familie das gut aufgenommen, dass ich dann eine Ausbildung machen wollte. Während der Schulzeit hieß es aber auch “natürlich wirst du studieren” und “klar machst du n Master, n Bachelor hat jeder”. Außerdem habe ich jetzt 10.000€ Schulden dank Bafög und damit bin ich noch einer der glücklichen gewesen, andere mussten arbeiten neben dem Studium. Man wird so lange auf Leistung geprügelt, bis der Mensch im einem zusammenbricht.


Person E:

1. Weil ich festgestellt habe, dass ich mit dem angestrebten Bachelor in Biologie quasi keine Jobchancen habe, mindestens den Master machen müsste, damit dann aber völlig überqualifiziert für die normalen Laborarbeiten wäre, und die Ausbildung genau dieselben Inhalte vermittelt, aber mit sicheren Jobchancen.

2. Ich habe angefangen zu studieren, weil mich die Richtung grob interessierte, aber hauptsächlich, weil ich nicht wusste, was ich sonst machen sollte.

3. Ich bekomme oft gesagt, dass ich damit mein Abitur oder meine Intelligenz verschwenden würde, und doch zumindest einen Bachelor zu Ende machen solle, als ‘Grundlage’.

4. Der Rahmen ist strukturierter, sodass man besser planen kann, wenn man wie ich noch nebenbei arbeiten muss. Im Studium muss man sich alles selbst organisieren, und die Abgabefristen/Klausurenblöcke fallen oft in einen engen Zeitraum. Gerade während Corona sitzt man dann teilweise Wochen nur am Schreibtisch und lernt, wenn man den Anfang des Semesters hat schleifen lassen. In der Ausbildung gibt es eher wie in der Schule feste Zeitpläne und genaue Vorgaben, was man machen und können muss. Ich persönlich brauche einen festen Tagesablauf.

Zudem ist der Kontakt zu anderen Azubis viel enger als zu Kommilitonen im Studium, da meine Ausbildung im Klassenverbund abläuft. Es ist also einfacher, einander zu helfen und auch Freundschaften zu knüpfen. Gerade als eher introvertierte Mensch kann es im Studium sehr schwierig sein, solide Beziehungen aufzubauen, gerade wenn man viele unterschiedliche Module mit vielen unterschiedlichen Leuten hat.

5. In meinem Fall ist es so, dass ich nur durch Druck der Familie/des Umkreises überhaupt Abi gemacht habe, ich wollte schon vor der Oberstufe eine Ausbildung anfangen. Im Endeffekt habe ich dann einige Semester Biologie studiert, allerdings musste ich mir das Studium selbst finanzieren, sodass ich kaum Zeit für die Uni hatte und eh nur am Arbeiten war. Im Endeffekt habe ich jetzt auf eine BTA-Ausbildung gewechselt und bin viel glücklicher damit. Selbst wenn ich den Bachelor in Biologie fertig gemacht hätte, hätte ich damit kaum Berufschancen, und mit einer abgeschlossenen BTA-Ausbildung kann ich genau das machen, was mir im Studium gut gefallen hat: das praktische Arbeiten im Labor.


Auch viele Berufsberater und Personalchefs, mit denen ich gesprochen habe, sagen, dass sie für einen Job im Labor lieber eine ausgebildete Kraft statt eines Studierten einstellen, da in der Ausbildung viel mehr Praxis geübt wird.

Ich denke, ob ein Studium oder eine Ausbildung für einen das richtige ist, kommt hauptsächlich auf den Persönlichkeitstypen an. Ich finde Biologie sehr interessant, weswegen ich das Studium ja auch angefangen habe. Allerdings ist die Grundstruktur des Studiums nichts für mich. Bulimie-Lernen, um von einem Kurs zum nächsten durchzurutschen; gerade während Corona fast nur Zuhause sitzen und Lernen, ohne es wirklich anwenden zu können. Das kann funktionieren, wenn man am Lernen an sich Spaß hat und es einem nicht schwerfällt. Ich hatte schon in der Schule nie die mentale Ausdauer dazu, stundenlang zu lernen, ich brauche Praxisbezug und Zweckmäßigkeit.

Die Ausbildung gibt mir da einen viel besseren zeitlichen Rahmen, sodass ich genau weiß, wann ich wie viel Zeit investieren muss und wann ich z.B. arbeiten gehen kann, das hilft mir sehr, meinen Alltag produktiver zu gestalten. Zudem sind die Jobaussichten sicher und ich weiß genau, was ich später Mal machen kann, während mich im Studium ständig Zukunftsängste verfolgt haben.

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