Einmal vorweg: Ich habe zwei Therapien aufgrund einer diagnostizierten Depression gemacht und auch einige Male Antidepressiva verschrieben bekommen.
Der Weg zu meiner ersten Therapie war recht… nun ja… holprig. Und das lag primär an mir. Ich hatte bereits während meiner Schulzeit immer wieder depressive Episoden, die allerdings nicht so schwerwiegend waren, als dass ich für mich eine Therapie überhaupt in Betracht gezogen hätte. Ich war nicht einmal der Meinung, dass ich überhaupt ein Problem hatte.
Zu Beginn meines Studiums änderte sich etwas. Zu den auf einmal auf mich einprasselnden Anforderungen des Studiums – ich habe nie lernen müssen, zu lernen – kamen noch schwerwiegende private Probleme. Nichtsdestotrotz wollte ich schnell und bestmöglich mein Studium durchziehen. Ich setzte mir also so viele Kurse wie möglich in meinen Stundenplan… und zerbrach an der Last. Das Studium, die privaten Probleme, alles wurde mir irgendwann einfach nur noch zu viel. Ich fiel in ein tiefes, tiefes Loch. Und aus diesem kam ich nicht mehr heraus.
Auch wenn ich zu meinen Kursen ging und versuchte, mir nichts anmerken zu lassen, mir ging es immer schlechter. Als ich dann anfing, darüber nachzudenken, wie ich am besten Allem ein Ende machen könnte, wusste ich, ich brauchte dringend Hilfe. Und zwar Hilfe, die ich weder von meiner Familie noch von meinen Freund:innen verlangen konnte. Nachdem mir endlich bewusst war, dass es so nicht mehr weitergehen konnte, habe ich meine Mutter eingeweiht und das erste Mal offen über meine Gefühle gesprochen. Die Erleichterung, endlich offen dazu stehen zu können, gab mir die nötige Kraft, mich um einen Therapieplatz zu bemühen.
Und es stellte sich heraus, dass das der einfachste Schritt des gesamten Prozesses war. Ich erinnerte mich daran, dass wir die Psychotherapie-Ambulanz der Universität Bielefeld haben. Ich rief dort also an und vereinbarte einen Termin für ein Erstgespräch. Das ging auch recht schnell. Ich erzählte von meinen Problemen und stieß auf viel Verständnis. Und erst da wurde mir richtig bewusst, dass ich wirklich ein Problem hatte, ich aber weder Schuld daran noch allein damit war. Vor mir saßen zwei Therapeutinnen, die mich ernst nahmen. Die mir das Gefühl vermittelten, die Hilfe zu bekommen, die ich brauchte. Nach dem Erstgespräch dauerte es ein paar Wochen, bis dann die Therapie mit meiner ersten Therapeutin begann. Und ich kann sagen, dass es mir wirklich geholfen hat, Methoden, die für mich passten und bis heute passen, zu erarbeiten. Auch hat es mir geholfen, dass Depression nicht bedeutet, dass ich irgendwie falsch und entgegen der Norm bin. Ich habe eine psychische Erkrankung, sie wird immer da sein, aber ich habe Mittel und Wege, um damit umzugehen.
Nach dem Ende der ersten Therapie ging es auch 2 Jahre ganz gut ohne Therapie weiter. Doch dann merkte ich, dass ich mit meinem einen Studienfach so überhaupt nicht mehr glücklich war… da ich aber kurz vorm Abschluss stand, versuchte ich verzweifelt, den irgendwie zu machen . Doch je verbissener ich darum kämpfte, je verbissener ich mich selbst zwang, etwas zu tun, was mir eigentlich sinnlos erschien, desto tiefer wurde das Loch… und wieder war da dieser Abgrund und die Frage, ob es nicht besser sei, einfach aufzugeben. Einfach alles hinter mir zu lassen.
Eines Abends bin ich dann bei meiner Mutter zusammengebrochen. Ich saß nur noch in der Ecke, war nicht mehr ansprechbar und starrte ins Leere. Ich weiß bis heute nicht, was an diesem Abend passiert ist. Ich weiß nur aus Erzählungen, dass meine Mutter und mein Vater darüber gesprochen haben, mich in eine Klinik einweisen zu lassen, da sie nicht mehr wussten, wie sie mir helfen konnten. Es dauerte Stunden, bis ich wieder so weit anwesend war, dass sie mit mir sprechen konnten. Und so wenig ich auch mitbekam, ich habe mich, laut der Aussage meiner Eltern, wohl recht deutlich gegen eine Klinikeinweisung ausgesprochen.
Dennoch brauchte ich eindeutig Hilfe. Und wie bereits beim ersten Mal war die Suche nach einer Therapeutin (ja, ich habe nach einer Therapeutin gesucht, da ich mich damit wohler fühlte) der einfache Teil. Ich hatte die Grünen Seiten zur Hand und schaute gezielt nach Therapeutinnen, die sich auf tiefenpsychologische Psychotherapie spezialisiert hatten, da meine erste Therapie eine Verhaltenstherapie war; ich hatte also den Werkzeugkoffer, konnte ihn aber einfach nicht öffnen. Ich rief zwei Therapeutinnen an, die zu der Zeit allerdings keine Kapazitäten frei hatten. Bei der Dritten hatte ich dann Glück und konnte wieder zu einem Erstgespräch. Ich saß da also wieder in einem bequemen Sessel und erzählte von meinen Problemen und meinen bisherigen Therapieerfahrungen. Und – eine Sache, die für mich sehr wichtig war – ich hatte das Gefühl, ihr vertrauen zu können. Ich hatte bei ihr nicht das Bedürfnis, mich verstellen und ihr Gute-Laune vorspielen zu müssen. Die tiefenpsychologische Therapie hat mir sehr geholfen, zu erkennen, warum genau ich so handle und denke, wie ich handle und denke. Da ich das weiß, weiß ich auch, wie ich das regulieren kann. Dabei helfen mir auch die Methoden, die ich in meiner Verhaltenstherapie gelernt habe.
Mittlerweile sind meine Therapien einige Jahre her und mit den Erkenntnissen aus diesen, der Unterstützung meiner Familie, meiner Freund:innen und gleichgesinnten Kommiliton:innen komme ich gut mit meinen Depressionen zurecht. Ich habe immer wieder Phasen, in denen ich rückfällig werde, aber ich erkenne diese früher und kann besser gegensteuern. Außerdem halten die Phasen nicht mehr so lange an und ich falle nicht mehr in ein Loch, aus dem ich selbst nicht entkommen kann.
Wenn ich jetzt an meine Wege zur Therapie denke, dann stelle ich fest, dass es nicht das Schwierigste war, an einen Therapieplatz zu gelangen. Viel schwieriger, länger und anstrengender war der Prozess, zu erkennen, dass ich nicht nur Hilfe brauchte, sondern auch einen Anspruch darauf hatte. Ich musste für mich selbst erkennen, dass es objektiv gesehen immer Menschen gibt, denen es schlechter geht als mir, aber dass es MIR nicht hilft, mir das immer wieder wie ein Mantra zu sagen und damit in Abrede zu stellen, dass ich ohne Hilfe nicht mehr aus dem Loch herauskommen würde.
Infobox
Anträge für die Krankenkasse etc. füllen die Therapeut:innen entweder mit euch gemeinsam oder für euch aus. Also keine Angst vor dem Papierkram,
Weiterführende Links und Telefonnummern:
Grüne Seiten – Webseite um Therapeut:innen zu finden
Psychotherapeutische Ambulanz Uni Bieleld
Krisentelefon: Mo-Fr 18-7:30 Uhr| Wochenende und Feiertage rund um die Uhr
Telefon: 0521 3299285
Sozialpsychiatrischer Dienst der Stadt Bielefeld – Hilft in akuten Krisensituation und vermittelt in weiterführende Behandlungs- und Therapieangebote