Mein Weg zur Therapie – Erfahrungsbericht 2

Während meiner Schulzeit habe ich schon einmal versucht, zur Therapie zu gehen. Versucht, weil es nicht geklappt hat. Ich kam mit der Therapeutin und ihrem Stil nicht klar (sie hat nur zugehört, keine Fragen gestellt und nur Notizen gemacht, was mich sehr verunsichert hat), und im Nachhinein glaube ich auch, dass ich einfach noch nicht dafür bereit war. Danach packte ich wieder alles hinter eine Wand und machte weiter, als wäre nichts.

Erst vor ein paar Jahren, nach einem weiteren Todesfall in meiner Familie, wusste ich aber, dass ich was unternehmen musste, denn sonst würde ich irgendwann unter dem Druck und der Anspannung zusammenbrechen. Das Problem: ich hatte absolut keine Ahnung, wie man so etwas angeht (da es beim ersten Mal schief lief, hatte ich etwas Angst, die Erfahrung zu wiederholen). Deshalb hoffe ich, dass es anderen helfen wird, wenn ich meinen Weg zu Therapie teile!

Mein erster Anlaufpunkt war die Zentralen Studienberatung (ZSB), denn ich hatte erfahren, dass dort auch psychologische Beratung angeboten wird (wie ich genau darauf gekommen bin, weiß ich leider nicht mehr). Ich ging also zur offenen Sprechstunde und hatte das Glück, dass mir schon recht zeitnah eine Beraterin zugeteilt werden konnte. Mit dieser hatte ich dann regelmäßige Treffen, in denen ich über das sprechen konnte, was mich so beschäftigte. Das half mir zwar schon sehr, aber es wurde auch schnell klar, dass ich professionelle Hilfe bräuchte, in Form einer Psychotherapie. Meine Beraterin nannte mir die Website “app:”, eine Liste aller Therapeut:innen in der Region Bielefeld (auch bekannt als Grüne Seiten). Weiterhin gab sie mir die „Hausaufgabe“, die Liste durchzugehen, mir ein paar Namen rauszuschreiben und diese dann zu kontaktieren. Und genau das tat ich. Ich suchte mir Praxen aus, die entweder in meiner Nähe lagen oder gut zu erreichen waren, und schrieb ihnen eine Mail (mir blieb zum Glück ein Telefonat erspart!), immer mit dem gleichen Inhalt: „Hallo, mein Name ist _____ und ich würde gerne einen Termin für ein Erstgespräch machen.“ Das war es. Mehr nicht. Und war nicht so schlimm, wie die Horrorszenarien, die mein Gehirn sich schon ausgedacht hatte!

Dann hieß es erstmal warten, bis eine Antwort kam. Das ist nicht unbedingt selbstverständlich: von den knapp 10 Therapeut:innen, die ich angeschrieben hatte, antworteten nur vier (und eines davon war direkt eine Absage, wegen fehlender Therapieplätze). Mit den anderen drei vereinbarte ich aber den erwähnten „Termin für ein Erstgespräch“. Dieses Erstgespräch dient dazu, dass man sich etwas näher kennenlernt: erstens, um zu sehen, ob der/die Therapeut:in einem helfen kann, und zweitens, ob man mit der Person klarkommt (siehe meinen ersten Versuch der Therapie).

Das erste Erstgespräch lief gut, die Atmosphäre entspannt, die Therapeutin sehr nett (sie hat gezielt Fragen gestellt, was es mir deutlich erleichtert hat, über meine Probleme zu reden), und es gab einen Therapiehund (ein sehr überzeugendes Argument! :D). Das zweite Erstgespräch hingegen war nicht optimal; der Therapeut war nicht schlecht, aber ich hatte das Gefühl, er würde meine Probleme nicht richtig verstehen und den Schwerpunkt woanders setzen.

Dann kam das letzte Erstgespräch. Es war einfach perfekt, anders lässt es sich gar nicht beschreiben. Ich fühlte mich sofort wohl und mochte die Therapeutin auf Anhieb. Also ließ ich mich auf ihre Warteliste setzen; ich dachte, so schlecht geht es mir im Moment ja nicht und die paar Monate würde ich auch noch hinkriegen. Schließlich habe ich es ja die letzten Jahre auch geschafft.

Tja… nur hatte ich nicht mit einer globalen Pandemie gerechnet! Die zog mich dann richtig runter: ich stellte alles infrage, warum ich mich überhaupt noch anstrenge, irgendwas zu machen, wenn die Welt sowieso untergeht… auf einmal hatte ich nicht nur mit meinen persönlichen Problemen zu kämpfen, sondern auch noch mit der weltweiten Sch***e. Es waren die dunkelsten Phasen, die ich je hatte, mit Gedanken, die mir Angst gemacht haben. Aber ich hatte Glück. Ich bekam eine Mail von der Therapeutin mit der Nachricht, es wäre ein Platz frei geworden und man könne sich von nun an regelmäßig treffen. Was wir auch taten, einmal die Woche, am Anfang sogar Doppelstunden, um alles aufzuarbeiten (10 Jahre, da war Einiges!). In gewisser Weise war das meine Rettung. Es reichte schon einfach, mir alles von der Seele zu reden und zu hören, dass es okay war. Auch endlich eine Diagnose – Depressionen – zu erhalten, war wie eine Erlösung, denn endlich hatte ich ein Wort für das, was mit mir los war. Und mir wurde klar, dass es nicht meine Schuld war und ich auch nicht allein damit bin. Seit ich mit der Therapie angefangen habe, fühlt es sich an, als wäre endlich ein Gewicht von meinen Schultern gefallen. Es gibt noch viel, woran ich arbeiten will/muss, aber es tut gut zu wissen, dass ich jemanden habe, der mir dabei hilft!


Infobox

Anträge für die Krankenkasse etc. füllen die Therapeut:innen entweder mit euch gemeinsam oder für euch aus. Also keine Angst vor dem Papierkram,

Weiterführende Links und Telefonnummern:

Grüne Seiten – Webseite um Therapeut:innen zu finden

Psychotherapeutische Ambulanz Uni Bieleld

Zentrale Studienberatung

Krisentelefon: Mo-Fr 18-7:30 Uhr| Wochenende und Feiertage rund um die Uhr

Telefon: 0521 3299285

Sozialpsychiatrischer Dienst der Stadt Bielefeld – Hilft in akuten Krisensituation und vermittelt in weiterführende Behandlungs- und Therapieangebote