Stay@home – Monotonie

Lange Zeit war es sehr still in dieser Blog-Kategorie. Ursprünglich fing unser Blog mit genau dieser Kategorie an. Letztes Jahr im März waren wir auf einmal alle im Home-Office und hatten plötzlich Zeit. Gleichzeitig brauchten wir ein Ventil, um mit dieser Ausnahmesituation umzugehen. Außerdem ist unser Anliegen, einen offenen Austausch zu schaffen. Da dieses nicht mehr auf dem üblichen Wege möglich war, dachten wir, dass Blog-Artikel ein guter Weg sind, offen über mentale Gesundheit zu schreiben und dadurch zu einem Austausch beitragen zu können. Nach über einem Jahr ist unser Blog, aber auch unsere Website gewachsen, doch dabei haben wir unsere erste Kategorie sehr vernachlässigt.

Und ich weiß auch ehrlich gesagt gar nicht, was ich schreiben soll. Letztes Jahr im März dachte ich noch, dass nach ein paar Wochen alles mehr oder weniger seinen gewohnten Gang gehen würde, wenn wir uns alle einmal für kurze Zeit zusammenreißen. Tja… falsch gedacht. Das war mir dann auch recht schnell bewusst. Also konnte ich darüber schreiben, wie ich neue Rituale, Routinen und Strukturen in mein Leben implementieren kann, um mit dem Home-Office besser zurecht zu kommen. Ich versuchte mich an verschiedenen Dingen, mal besser, mal schlechter –völlig normal, wenn man an seinen Prozessen arbeitet.

Das war am Anfang noch aufregend, aber mittlerweile nicht mehr. Mittlerweile herrscht vor allem eines in meinem Alltag… Monotonie. Ich stehe morgens auf, trinke meinen Kaffee und mache dabei meinen Laptop an. Ich schaue Serien am Laptop, lese meine Mails am Laptop, besuche meine Seminare und Vorlesungen am Laptop, schreibe meine Hausarbeiten am Laptop, treffe mich hin und wieder mit Freund*innen am Laptop. Und das jeden Tag. Ich komme mir vor wie Sam in der einen Supernatural-Folge. Nur dass ich nicht versuche, meinen Bruder vor den ungewöhnlichsten Todesfällen zu schützen, sondern ich versuche jeden Tag aufs Neue in meiner Kaffeetasse meine Motivation zu finden. Mal besser, mal schlechter. Und täglich grüßt das Murmeltier.

Auch die anfänglichen Online-Treffen mit Freund*innen wurden immer weniger. Denn nach über einem Jahr der fast immer gleichen Abläufe fehlt einfach der Gesprächsstoff. Und wenn man sich über das immer gleiche Leben ausgetauscht hat – was sehr schnell passiert – kommt man unweigerlich auf das Thema Corona. Ich selbst bin da nicht besser, auch wenn ich mich sehr darüber ärgere. Aber man weiß auch einfach nicht mehr, was man sich noch zu erzählen hat. Vor Corona erzählte man sich von den Dingen, die man am Wochenende erlebt hat, die man am Wochenende geplant hat. Erlebnisse in der Uni oder bei der Arbeit. Oder auch einfach nur lustige Dinge, die in der Bahn passiert sind.

Wenn ich heute über die gleichen Themen mit Freund*innen spreche, klingt das ungefähr so:

Letztes Wochenende habe ich die ersten beiden Staffeln von Criminal Minds gesehen. Für das nächste Wochenende plane ich die nächsten beiden Staffeln. – In meinem Online-Seminar ist heute was total Lustiges passiert: Mir ist ständig das Internet ausgefallen und ich habe die anderen Teilnehmer*innen nur als Standbild gesehen. – Beim Schreiben meiner Hausarbeit habe ich ein Wort dreimal hintereinander falsch geschrieben. – Mit der Bahn bin ich seit einem Jahr nicht mehr gefahren.

Und täglich grüßt das Murmeltier. Selbst beim Lesen dieser „Konversation“ fallen mir die Augen zu.

Ich beneide meinen Freund. Der kann täglich zur Arbeit fahren. Zwar sieht er auch dort jeden Tag die gleichen Menschen, aber immerhin erlebt er etwas. Auch wenn er seiner täglichen Arbeit nachgeht, passiert doch jeden Tag irgendetwas Neues. Und ich beneide ihn um diese täglichen Erlebnisse. Ich sauge seine Erzählungen von seinem Arbeitstag förmlich auf, weil es meine Monotonie durchbricht.

Und ich freue mich auf den Tag, an dem ich mich wieder mit Freunden treffen kann. Ich freue mich auf den Tag, an dem ich wieder erzählen kann, wie es auf dem Konzert war. Ich freue mich auf den Tag, an dem ich erzählen kann, dass ich am Wochenende eine Kneipentour geplant habe. Ich freue mich auf den Tag, an dem ich erzählen kann, dass ich in der Uni mit Kommiliton*innen einen Kaffee getrunken und darüber vergessen habe, dass ich eigentlich zum Lernen in die Bib wollte. Ich freue mich auf den Tag, an dem ich erzählen kann, dass meine Bahn pünktlich an der Uni war. Ich freue mich auf den Tag, an dem ich einfach irgendwas zu erzählen habe.