Vor einem Jahr, zum Pride Month, habe ich mich auf diesem Blog als aromantisch-asexuell geoutet. Damals habe ich den Beitrag noch anonym veröffentlicht und auch in dem Text selbst geschrieben, dass mir das Ganze noch schwerfällt. Inzwischen ist das anders. Inzwischen fühlt sich das Label richtig an, es geht mir gut damit und ich bin selbstbewusster.
Der Blogbeitrag damals war eher ein Text darüber, wie ich zu dem Label gekommen bin, der Weg dahin. Es ging um das Hinterfragen, das Herausfinden und die Überlegung, was man dann damit anfängt. Der Text war sehr persönlich und damit vielleicht etwas unstrukturiert. Um ehrlich zu sein, habe ich das damals auch ziemlich schnell heruntergeschrieben, weil ich ihn unbedingt noch im Juni hochladen wollte. Jetzt, wo ich mich Zeit hatte mich daran zu gewöhnen, möchte ich einen etwas detaillierteren Text dazu schreiben, der das Thema etwas näher beleuchtet.
Dafür gibt es verschiedene Gründe. Zum einen hoffe ich, dass es mir dabei hilft, die Orientierung und mich selbst besser zu verstehen, dass ich meine Gedanken dazu besser ordnen und ausdrücken kann. Zum anderen möchte ich damit anderen Menschen zeigen, wie es ist, so zu sein. Er soll für die sein, die es nicht verstehen oder nachvollziehen können, und für die, die sich vielleicht selbst damit identifizieren, aber sich allein fühlen.
Womit wir auch schon beim Thema sind. Wie oben gesagt, bin ich aromantisch-asexuell. In diesem Text möchte ich mich jedoch auf die Orientierung Aromantik konzentrieren. Das hat wiederum auch zwei Gründe. Erstens liegt mir das näher am Herzen, es ist für mich relevanter. Zweitens gibt es zum Thema Asexualität, wenn auch nicht viel, zumindest einige Literatur, der Begriff scheint bekannter und weiterverbreitet zu sein. Wenn es um Aromantik geht, gibt es so gut wie nichts, und wenn, dann wird es nur in Verbindung mit Asexualität besprochen, aber nicht als eigenständiges Thema. Für manche ist diese Trennung vielleicht unlogisch, für mich ergibt das aber durchaus Sinn. Bei manchen Fragen allerdings, auch wenn ich nur über Aromantik schreibe, geht es implizit auch um meine Asexualität (z.B. bezüglich meines Coming Outs).
Dass Aromantik noch relativ unbekannt ist, zeigt sich auch daran, dass es mir bei Word immer rot unterstrichen wird und mir als Alternative Aromatik oder Romantik vorgeschlagen wird (ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich davon schlimmer finde). Als ich im Katalog der Uni-Bibliothek nach Literatur dazu gesucht habe, kam nur der Hinweis: Keine Ergebnisse! Darüber war ich schon ziemlich erstaunt – gerade in der Uni könnte man doch zumindest etwas erwarten – und ehrlich gesagt auch ziemlich verletzt und niedergeschlagen. Dann musste ich feststellen, dass es daran liegt, dass es einfach generell keine Literatur dazu gibt. Das tat weh. Aber wenn es halt keine Quellen gibt, mache ich mir halt selbst eine, deswegen dieser Text!
Als ich mich dazu entschieden hatte, darüber zu schreiben, war ich zuerst ein wenig verloren. Für mich war Aromantik ja die Norm, woher sollte ich wissen, was andere daran vielleicht interessiert? Also habe ich ein paar Freunde gebeten, mir Fragen zu stellen. Ich werde diese Fragen nutzen, um den Text besser strukturieren zu können und hoffentlich das meiste zu beantworten.
Was ist eigentlich Aromantik?
Als Anfang sollte ich vielleicht nochmal kurz genauer erklären, was Aromantik eigentlich bedeutet. Hier der Eintrag dazu aus dem Queer-Lexikon: „Eine Person, die keine romantische Anziehung verspürt und/oder kein Interesse an romantischen Beziehungen hat, bezeichnet sich als a_romantisch. Dies hängt nicht zwangsläufig mit A_sexualität zusammen.“ [LINK] Aus dem letzten Teil ergibt es etwas, dass vielleicht nicht allen klar ist: Romantische Anziehung und sexuelle Anziehung sind zwei verschiedene Dinge. Eine Unterscheidung, die bei anderen Orientierungen vielleicht nicht so üblich ist, aber in der A-Orientierung eine größere Rolle spielt. Warum ich mich hier nur mit meiner romantischen Orientierung beschäftige, habe ich ja oben schon erklärt.
Was noch wichtig ist: Aromantik ist ein Spektrum, d.h. manche empfinden gar keine romantische Anziehung, andere dagegen – unter bestimmten Umständen zum Beispiel – schon; bei mir ist es Ersteres.
Es gibt zwar eine offizielle Definition, aber trotzdem finde ich es schwierig zu beschreiben, was es eigentlich genau ist, denn: Wie beschreibt man etwas, das nur die Abwesenheit von etwas anderem ist? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht, und ich bin mir auch nicht sicher, ob ich jemals eine befriedigende Antwort darauf finden werde. Ich hoffe nur, dass es für das Verständnis hilft, meine Erfahrung und meine Perspektive zu teilen.
Woher weißt du, dass du aromantisch bist?
Das ist tatsächlich die Frage, die die meisten mir als erstes gestellt haben. Also fange ich mal von vorne an, bei meinem Coming Out, oder der Frage: Woher weiß ich, dass ich aromantisch bin? In meinem ersten Text hatte ich schon grob erklärt, wie ich zu dem Begriff gekommen bin, deshalb hier nur eine Kurzversion. Ich war noch nie verliebt oder in einer Beziehung und hatte bzw. habe auch kein Interesse daran, auch generell Themen wie Liebe, Beziehungen, Romantik und alles was damit zu tun hat habe ich nie wirklich verstanden oder fand ich sogar nervig (zum Beispiel in Büchern und Filmen). Als ich dann recherchiert habe, um zu verstehen, was mit mir los ist, bin ich auf die Begriffe Asexualität und dann auch Aromantik gestoßen und konnte mich sofort damit identifizieren. Besonders bei der Aromantik hat mir dieser Blogbeitrag sehr geholfen!
Ich habe das hier jetzt sehr gekürzt und es war auf keinen Fall so einfach, wie es vielleicht klingt! Ich habe Monate darüber nachgedacht, aber immer wieder festgestellt, dass es sich richtig anfühlt mit dem Label. Auch ein Jahr später bin ich immer noch dabei, über Aromantik (und auch Asexualität) zu lernen, aber seit ich die Worte dafür gefunden habe, geht es mir deutlich besser, es wird immer leichter darüber zu sprechen und damit selbstbewusster umzugehen.
Woher weißt du das mit Sicherheit? Was ist, wenn du einfach im Moment kein Interesse hast?
Eine berechtigte Frage, und die einzige Antwort, die ich habe: Ich weiß es einfach, so wie man manche Dinge einfach weiß. Wenn ich nämlich über die Zukunft nachdenke, haben romantische Beziehungen darin keinen Platz, ich kann es mir einfach nicht vorstellen. Für mich ist das ein ziemliche eindeutiges Indiz, dass ich wirklich aromantisch bin. Aber hey, Orientierungen sind nicht in Stein gemeißelt, vielleicht ändert sich das alles noch (auch wenn ich das im Moment nicht glaube). Jetzt identifiziere ich mich jedenfalls als aromantisch, weil sich das passend für mich anfühlt.
Wie hast du dich in deinem Umfeld geoutet und wie hat man darauf reagiert?
Auch wenn ich nicht davon ausgegangen war, dass irgendjemand in meinem Leben Probleme damit hätte, dass ich aromantisch bin, hatte ich doch ein wenig Schiss, mich zu outen. Meinem Vater und meiner besten Freundin habe ich unter Tränen und mit Herzrasen erklärt, dass ich kein Interesse an Beziehungen habe (zu dem Zeitpunkt hatte ich noch kein Label). Ich hätte mir keine Sorgen machen müssen, beide waren super verständnisvoll und haben mir erklärt, dass es ihnen egal ist und keinen Unterschied macht. Und es hat mir echt viel bedeutet, das von beiden zu hören. Anderen Freunden habe ich meinen Blogtext geschickt, aber auch die haben es gut aufgenommen und es akzeptiert, viele haben sich auch einfach für mich gefreut, dass ich ein Label für mich gefunden hatte. Manchen musste ich erklären, was aromantisch-asexuell bedeutet, aber das wurde dann auch ohne Wertung hingenommen.
Ich schätze mich unglaublich glücklich, dass mein Coming-Out so positiv verlaufen ist, ich weiß, dass das nicht selbstverständlich ist! Und ich bin sehr froh, dass ich so viele großartige Menschen in meinem Leben habe, die mich so akzeptieren, wie ich bin, ohne, dass ich mich rechtfertigen muss! Manche Leute in meinem Leben wissen es immer noch nicht explizit (ich habe auch nicht das Bedürfnis bei jedem Einzelnen persönlich zu outen) und werden es dann vielleicht erst durch diesen Post erfahren. Was mich dann auch zu einer weiteren Frage bringt:
Ist es dir wichtig, dass Leute wissen, dass du aromantisch bist?
Ja und nein. Grundsätzlich würde ich natürlich niemandem, den ich neu kennenlerne, direkt auf die Nase binden, dass ich aromantisch bin. Das liegt zum einen daran, dass ich das von anderen ja auch nicht will, zum anderen, dass ich der Meinung bin, dass jemandes Orientierung keine Rolle spielen sollte, wenn man sich kennenlernt. Wenn es sich allerdings im Gespräch ergibt, zum Beispiel weil es um das Thema Liebe oder Beziehung geht (aber auch da je nach Situation), würde ich der anderen Person sagen, dass ich aromantisch bin, inzwischen auch mit Selbstbewusstsein und einem gewissen Stolz (ha, Pride, get it?).